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Die SLS-Illusion

Wie Kunden in die High-Tech-Kostenfalle tappen
21. September 2025 durch
Die SLS-Illusion
Heinz

Über Jahre hat sich rund um selektives Lasersintern (SLS) ein Mythos aufgebaut: Pulver, Laser, High-Tech-Labore. Wer damit wirbt, signalisiert „Industriequalität“ – und verlangt dafür auch Industriepreise. Doch immer öfter zeigt sich: Der vermeintliche „Goldstandard“ ist für viele Bauteile unnötig teuer. Die Folge: Unternehmen zahlen fünfstellige Beträge für Teile, die sich für einen Bruchteil des Preises im FDM-Verfahren herstellen lassen.

Als erfahrene Ingenieure aus dem Werkstoffbereich werfen wir ein Blick hinter die Kulissen und versuchen zu erklären wie das SLS-Narrativ entstanden ist, warum es sich so hartnäckig hält – und welche Vorteile FDM-Druck längst bietet.

 

Der Premium-Mythos von SLS

SLS stammt aus der Luft- und Raumfahrt und wurde in den 80ern als High-End-Technologie entwickelt. Heute verkaufen Dienstleister es gern als Allheilmittel für jedes Prototypenproblem. Pulverbasierte Hochtechnologie klingt automatisch besser – und lässt sich besser bepreisen.

  • Was der Endkunde hier jedoch nicht mitbekommt:
    Maschinenkosten: SLS-Anlagen kosten ein Vielfaches von FDM-Druckern.
    Materialkosten: Kunststoffpulver ist fünf- bis zehnmal teurer als Filament.
    Arbeitsaufwand: Pulverhandling, Nacharbeit, Filterwechsel und Sicherheitstechnik verursachen zusätzliche Kosten.

Das Ergebnis: ein Verfahren, das schon im Einkauf hochpreisig ist und bei Dienstleistern entsprechend kalkuliert werden muss, um diese hohen Kosten zu decken.

 

Was SLS wirklich bringt

SLS hat echte Stärken – keine Stützstrukturen, komplexe Geometrien, gleichmäßige Bauteilfestigkeit. Doch diese Vorteile werden häufig überschätzt:

  • Oberflächen sind rau und erfordern Nachbearbeitung.
  • Toleranzen sind nicht automatisch präziser als bei FDM.
  • Mechanische Eigenschaften liegen oft unter dem, was Marketing verspricht. Zudem werden Bauteile nicht an der Belastungsgrenze konstruiert, so dass diese ausgereizt werden würde.

In vielen Fällen sind SLS-Bauteile daher nicht „besser“, sondern einfach nur teurer.

 

FDM: Der unterschätzte Champion

Fused Deposition Modeling (FDM) ist die Brot-und-Butter-Technologie des 3D-Drucks – und längst erwachsen geworden. Moderne FDM-Drucker liefern Oberflächen und Maßhaltigkeit, die vor fünf Jahren undenkbar waren.

Die Vorteile sind:

  • Preis: Filamente sind günstig und vielfältig.
  • Flexibilität: PLA+, ASA, PA12-CF und lebensmittelechte Kunststoffe sind problemlos verfügbar und für 90% der Anwendungen mehr als ausreichend.
  • Gesundheit: keine feinen Kunststoffstäube wie bei Pulververfahren (keine vergleichbaren Gesundheitsgefahren).
  • Nacharbeit: Stützstrukturen lassen sich kontrolliert platzieren und leicht entfernen.

Kurz: FDM ist für die meisten Funktionsprototypen und Halterungen mehr als ausreichend – und spart dabei massiv Kosten.

 

Wie Anbieter Kunden in die High-End-Schiene drängen

Warum also wird so oft SLS angeboten, wenn FDM reichen würde? Die Antwort ist banal: Psychologie. Teuer wirkt professionell. Viele Dienstleister kalkulieren SLS bewusst hoch und suggerieren, dass „echte Industriequalität“ nur mit Pulver möglich sei. Das erinnert an Tintenpatronen-Upselling: Kunden kaufen nicht nur das Gerät, sondern ein kostspieliges Ökosystem gleich mit.

 

Der Praxis-Check: Wann SLS tatsächlich sinnvoll ist – und wann nicht

Es gibt Anwendungen, bei denen SLS seine Stärken ausspielt – etwa bei sehr dünnwandigen Bauteilen, komplexen Hohlstrukturen oder hohen Dauertemperaturen. Doch für rund 90 % der typischen Prototypen, Halterungen und Gehäuse reicht FDM vollkommen aus, wenn entsprechendes Wissen über Werkstoffe vorhanden ist (und das ist bei 3D Druck München der Fall).

Checkliste:

  • Muss das Bauteil Temperaturen von >200 °C auszuhalten?
  • Ist absolute Isotropie wirklich erforderlich?
  • Sind extrem feine Wandstärken unverzichtbar?
  • Sind schwer zugängliche Bereiche/Strukturen im 3D-Modell?

Wenn du diese Fragen verneinst, ist FDM höchstwahrscheinlich die bessere (und wirtschaftlichste) Wahl.

 

Der Preisvergleich

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich die Preise und Lieferzeit bei einem nicht belasten Bauteil unterscheiden, hatten wir bei anderen Dienstleistern mit einem Musterteil einen Vergleich gemacht:

  • Bauteil mit FDM gefertigt: ca. 20 € (PA12-CF, 3–4 Tage Lieferzeit)
  • Bauteil mit SLS gefertigt: ca. 200 € (PA12, 12 Tage Lieferzeit)

 

Beide Teile erfüllen denselben Zweck. Der Unterschied: 180 € pro Bauteil – multipliziert sich schnell zu vier- oder fünfstelligen Summen bei Serienbestellungen. Zudem ist die Lieferzeit deutlich erhöht, weil bei SLS „gewartet“ werden muss, bis der Dienstleister einen vollen Bauraum hat.

 

Fazit: Zeit, den Mythos zu entzaubern

Der Nimbus des „High-End-SLS“ lebt von Unwissenheit und Marketing. Wer genauer hinsieht, erkennt: FDM hat sich vom Bastlerverfahren zum industrietauglichen Standard entwickelt.

Zumindest der Versuch, ein Bauteil, das bisher in SLS gefertigt wurde, in FDM zu fertigen, lohnt sich. In vielen Fällen erhältst du ein funktionales Bauteil, schneller und deutlich günstiger. Der Rest ist nur Marketing.